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Hessische Landesbahn im Taunus

Straßenbahn in Frankfurt/Main

Studienfahrt der Verkehrsfreunde Stuttgart
am 14. und 15. September 2002

Ein Fahrtbericht von Bettina Plettig

Samstag, 14. September 2002

Von den Variationsmöglichkeiten war reger Gebrauch gemacht worden, so dass die Gruppe, die am Samstag morgen um zehn vor acht den ICE besteigt, nicht mehr diejenige sein wird, die am Sonntag abend in Stuttgart aus dem ICE aussteigen wird. In diesem Fall handelt es sich um eine zweitägige, echte und gewollte Gewinn- und Verlustrechnung an Verkehrsfreunden.
Eine Stunde zwanzig sind sehr wenig Zeit, um die wie immer perfekt zusammengestellten Reiseunterlagen zu sichten und zu lesen. Immerhin will man wissen, was einen in den nächsten Tagen erwartet. Man kann die Zeit aber auch zu einem Aufenthalt im Bistro des ICE nutzen, einen "Hallowach - Kaffee" trinken und sich nett unterhalten, morgens - halb neun in Deutschland. Wie auch immer Sie Ihre Zeit im Zug verbringen, um zehn nach neun sollten Sie den ICE im Kopfbahnhof Frankfurt verlassen und Ihr Gepäck (sofern Sie welches haben) zum Seitenausgang bringen, wo es in ein Auto verladen wird.
Kaum haben Sie den Bahnhof verlassen, sind Sie auch schon mittendrin im pulsierenden Leben dieser Großstadt. Empfangen werden wir von unseren Verkehrsfreunden Harald und Detlef Klein, die für das Programm dieses Wochenendes hauptsächlich verantwortlich zeichnen. Sie führen uns zunächst in die unteren Gefilde des Hauptbahnhofes zur S-Bahn. Verglichen mit dem S-Bahn-Leben unter Frankfurts Hauptbahnhof geht es auf dem vergleichbaren Stuttgarter S-Bahnhof selbst in der Hauptverkehrszeit fast gemächlich zu. Eine kurze Fahrt in Richtung Wiesbaden bringt uns nach Frankfurt-Höchst, raus aus der Stadt und mitten hinein ins sonnige Verkehrsfreundeprogramm.
In Frankfurt-Höchst stellen wir den "ersten Kontakt" her, die erste Berührung mit der FKE. Oder ist es doch die HLB, oder die KNE oder BLE oder vielleicht die HEG? Alles keine Wesen aus fremden Galaxien, sondern Abkürzungen für die Kleinbahnen, die unter dem Dach der Hessischen Landesbahn (HLB) vereinigt sind. Die HLB ist eine Gesellschaft des Landes Hessen, die 1955 zur Sicherung der hessischen Kleinbahnen gegründet worden ist. Der FKE (Frankfurt-Königsteiner Eisenbahn AG) mit ihren rot/silbernen Triebwagen und gelber Bauchbinde begegnen wir hier in Frankfurt-Höchst und werden ihr bis Brandoberndorf treu bleiben. Heute nachmittag werden wir ein wenig Zeit mit der BLE, der Butzbach-Licher Eisenbahn AG zubringen. Daneben gibt es die Kassel-Naumburger Eisenbahn AG (KNE) und die Hersfelder Eisenbahn GmbH (HEG).
Die HLB erbringt seit 7 Jahren Verkehrsleistungen für die hessischen Verkehrsverbünde, den Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und den Nordhessischen Verkehrsverbund (VV) im Umfang von ca. 105 Mio. DM (im Jahr 2000).
Aber nicht nur in Nord- und Mittelhessen ist die HLB präsent: 1999 wurde die HellertalBahn GmbH zusammen mit der Siegener Kreisbahn und der Westerwaldbahn gegründet, und 2001 ging sie eine Gemeinschaft mit der Erfurter Industriebahn (EIB) für erhebliche Verkehrsleistungen in Südthüringen ein. Die HLB ist der Kopf ihrer Tochtergesellschaften und erledigt für sie zentral alle in einem Unternehmen anfallenden Arbeiten, vom Marketing bis zur Personalverwaltung. Aber sie ist noch mehr. Sie ist ein richtiges Eisenbahnverkehrsunternehmen, denn sie betreibt eigene Bahnstrecken. Zum Beispiel die 36 km der Taunusbahn (die hatten wir noch nicht), deren Betriebsführung der FKE übertragen worden ist, und die der FKE selbst mit knapp 16 Streckenkilometern. Damit ist sie nicht nur für den Bus- und Bahnverkehr verantwortlich, sondern auch für die Schieneninfrastruktur, Signalanlagen, Werkstätten, Haltepunkte u.ä. Die Einzelheiten zu Strecken, Gesellschaften und Fahrzeugen der Hessischen Landesbahn und ihrer Unternehmen können sie wohlgeordnet und vollständig in der ausführlichen technischen Beschreibung von Rainer Vogler nachlesen. Schließlich profitiert auch dieser Bericht von Rainers immensen Kenntnissen.

Bild: 309130
Bild 309130: Abfahrt des VT/VS2E am 14. September 2002 in Frankfurt am Main - Höchst.

Bild: 309134
Bild 309134: Am 14. September 2002 steht der Sonderzug der Stuttgarter Verkehrsfreunde in Bad Soden am Taunus.

In Bahnhof Frankfurt-Höchst wartet der VT/VSE 19 der FKE als Sonderzug schon auf uns. Nachdem wir den Triebwagen in der herrlichen Morgensonne ausgiebig fotografiert haben fahren wir zu unserem ersten Ziel los, allerdings nicht nach Königstein, sondern nach Bad Soden im Taunus, wo wir nun am gleichen Bahnsteig mit einem DB AG ET 420, der RMV Linie S 3, stehen. Nach dessen Abfahrt fahren wir wieder zurück nach Ffm.-Höchst. Hier war eine Scheineinfahrt von Bad Soden aus geplant, doch von der DB AG nicht genehmigt worden. Was tun? Wir legen einen Fotohalt in Sulzbach ein und werden dann auf Gleis 11 geleitet, da Gleis 12 und 13 mit FKE-Regelzügen belegt sind. (10.30 Uhr) Da es von Gleis 11 keine Verbindung zur Königsteiner Strecke gibt, müssen wir leider umsetzen. Durch diesen Umstand haben wir unsere Scheineinfahrt im Höchster Bahnhof. Dann geht es endlich auf die Königsteiner Strecke. Aber es sollte nach etwas dauern bis wir am Endpunkt in Königstein ankommen. Dazwischen liegen schöne Fotohalte und die herrliche Landschaft des Taunus. Kaum hat man den Bahnhof Höchst verlassen, scheint man in eine andere Welt einzutauchen. Wäre da nicht im Hintergrund die beeindruckende Skyline der Metropole, man könnte sich weit weg von jedem menschlichen Leben fühlen. Der Taunus zählt zu den Mittelgebirgen und ist in seiner Vielfalt ein Highlight deutscher Landschaften. Einerseits sind seine Hochebenen wie geschaffen für Obstanbau und landwirtschaftliche Flächen, andererseits bieten seine Berge sogar Gelegenheit zum Wintersport. Die höchste Erhebung des Taunus ist der Feldberg mit 880 Metern, den es auch in der geschrumpften Ausgabe als kleinen Feldberg mit immerhin noch 824 Metern gibt. Entweder war ein Hesse im Schwarzwald oder ein Schwarzwälder im Taunus: nicht nur die höchsten Erhebungen beider Mittelgebirge sind namensgleich, nein, es gibt sowohl im Südschwarzwald als auch im Hochtaunus eine Erhebung mit dem ungewöhnlichen Namen Kalte Herberge. Der berüchtigt steile Anstieg der süddeutschen Variante ist für Skilangläufer ein zwar schmerzliches, aber unabdingbares Muss.
Bekannt ist der Taunus bei uns nicht nur durch seine liebliche Landschaft geworden, sondern auch durch seine Städte: Frankfurt, Wetzlar, Gießen und Limburg mit der ältesten, erhaltenen mittelalterlichen Altstadt Deutschlands aus dem 13. Jahrhundert. Jede dieser Städte ist eine Reise wert. Wer mit dem Auto unterwegs ist, wird im Taunus unweigerlich die hessische Bäderstraße befahren. Zahlreiche Mineralquellen und Heilbäder finden sich am Weg: Wiesbaden, Bad Soden, Bad Nauheim, Bad Homburg und andere. Sie sehen also: unterwegs sein mit den Verkehrsfreunden Stuttgart bringt Ihnen nicht nur eisenbahntechnisch neue Kenntnisse, es wird auch etwas für Ihre Gesundheit getan. Ich habe von klein auf eine ganz besondere Beziehung zum Taunus gehabt: meine Mutter stammt aus der Nähe von Limburg und hat uns Kindern immer davon erzählt, wie schön es dort ist. Ohne zu wissen, wo denn dieses Eldorado liegt, waren wir Kinder davon überzeugt, dass es die allerschönste Gegend sein müsse, denn Mütter haben immer recht. Als ich das erstemal als Erwachsene durch den Taunus fuhr, habe ich meine Mutter verstanden: hier ist vielleicht nicht die allerschönste Gegend, aber schön ist ein relativer Begriff. Mit seinen harmonisch eingebetteten Städten, Orten, Dörfchen und Gehöften lohnt sich der Taunus zu jeder Jahreszeit, ein Ziel, das außerdem direkt vor unserer Haustür liegt. Wenn man dann ein solches Traumwetter erwischt wie wir, dann muss man meiner Mutter einfach recht geben. Am Bahnhof Liederbach gibt es den nächsten Fotohalt. Im Bahnhof Kelkheim folgt wir noch mal eine Scheineinfahrt aus Richtung Königstein.

Bild: 309139
Bild 309139: Der VT/VS2E mit einem kurzen Fotostop in Liederbach.
(14.09.2002).

Bild: 309143
Bild 309143: Kreuzung auf der Strecke Königstein Höchst im Bahnhof Kelkheim.
(14.09.2002)

Bild: 309141
Bild 309141: Ausfahrt der Verkehrsfreunde aus dem Bahnhof von Kelkheim.
(14.09.2002)

Bild: 309147
Bild 309147: Der Sonderzug der Taunusbahn ist in Königstein eingetroffen.
(14.09.2002)

Um kurz nach halb zwölf fahren wir im Kopfbahnhof der Frankfurt-Königsteiner-Eisenbahn ein; die Gleise enden vor der Werkstatt. Um vom Bahnsteig zum Eingang der Werkstatt zu gelangen, überquert man die Gleise über eine Fußgängerbrücke. Unter Ihnen liegt der schöne, moderne Bahnhof mit den Gleisanlagen, und im Hintergrund erheben sich Berge, auf deren höchster die Burg Königstein thront. Die Burg wurde erstmals im Jahre 1215 erwähnt und im 17. Jahrhundert zur Festung ausgebaut. 1796 ist sie gesprengt worden. Was von unten so imposant aussieht, ist offensichtlich nur mehr eine Ruine. Der Ort Königstein zu ihren Füßen erhielt bereits 1313 das Stadtrecht und beinhaltet in der Pfarrkirche St. Marien einen sehenswerten Rokokohochaltar und eine ebensolche Kanzel aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Stadt ist außerdem heilklimatischer Kurort im Hochtaunuskreis. Sie sehen: schon wieder was für Ihre Gesundheit!

Bild: 309150
Bild 309150: Herr Köhler, der Betriebsleiter der Frankfurt-Königsteiner Eisenbahn (FKE) vermittelt den Verkehrsfreunden Stuttgart einen Überblick über die Geschichte der FKE.
(14.09.2002)

Bild: 309154
Bild 309154: Der Bahnhof von Königstein mit den modernen Bahnsteiganlagen und einem abfahrbereiten VT.
(14.09.2002)

Im Betriebswerk werden wir von Herrn Köhler, dem Betriebsleiter der FKE, begrüßt. Er berichtet von den Arbeiten, die hier in der Werkstatt ausgeführt werden, denn immerhin 24 Triebzüge werden in Königstein instand gehalten. Anschließend vermittelt er uns einen Überblick über die Geschichte der FKE. Am 20.02.2002 feierte die FKE ihr 100jähriges Betriebsjubiläum. Sie ist das älteste Unternehmen im Verbund der Hessischen Landesbahn. Begonnen hatte alles unter dem Namen "Kleinbahn Höchst-Königstein", später umbenannt in "Kleinbahn Frankfurt-Königstein". Im Gegensatz zu vielen anderen Kleinbahnstrecken war die Intension der FKE von vornherein die Bewältigung des Ausflugverkehrs in den Taunus und weniger der Güterverkehr. Nicht viel später erkannten auch Berufspendler die Vorzüge der Bahnbeförderung und nutzten die FKE. Selbstverständlich waren anfänglich die Züge dampfbespannt. Die Bahn erfreute sich regen Zuspruchs: von Arbeitern über Angestellte bis in die höheren Ränge fuhren die Menschen mit dem Zug zur Arbeit und in die Ausflugsgebiete. Wie heute! Doch damals gab es noch drei unterschiedliche Wagenklassen. Die Züge wurden immer länger und schwerer, und erforderten bald den Einsatz von Doppeltraktionen. Der zweite Weltkrieg verschonte die Bahn mit Zerstörungen, verlangte aber ihren Tribut an Personal und Lokomotiven. Nach dem Krieg erreichte der Personenverkehr ungeahnte Ausmaße. Trotzdem wurden nach wie vor alle Züge von Dampflokomotiven gezogen. Das Dampfzeitalter bei der FKE endete endgültig im Jahre 1969.
Vieles aus der Geschichte und fast alles über die in der Werkstatt stehenden Triebwagen, Wagen und Loks erfahren wir vom Betriebsleiter, der es versteht, uns amüsant und unterhaltsam zu informieren. Es macht Spaß, ihm zuzuhören.
Leider geht die Zeit viel zu schnell vorbei; nur eine knappe Stunde haben wir Zeit in Königstein, und schon wartet eine gummibereifte Großraumlimousine (man könnte auch Bus sagen) auf uns. Eine dreiviertel Stunde Fahrt durch die liebliche Landschaft des Taunus und aufgeräumte Ortschaften bringt uns nach Grävenwiesbach. Grävenwiesbach liegt an der Eisenbahn, an der von der HLB bzw. FKE betriebenen Taunusbahn, und dient am heutigen Tag einem lebenswichtigen Zweck: hier gibt es Mittagessen. Im Gasthof zur Eisenbahn, direkt am Bahnhof gelegen, nimmt unsere Gruppe Platz und harrt hungrig, vor allem aber durstig, der Dinge, die da für uns bestellt worden sind. Ich weiß nicht, wer mit dem Wirt verhandelt hat, ich weiß auch nicht, wie viel Euros für das Essen angesetzt worden sind - ich weiß nur, ich habe es nicht geschafft. Nicht, weil ich keinen Hunger hätte, oh nein! Nicht, dass es nicht schmecken würde, bewahre! Es ist ganz einfach nicht zu schaffen! Zumindest nicht für mich und die meisten anderen an meinem Tisch. Und das sind zum größten Teil essenserprobte Verkehrsfreunde. Schnitzel über Schnitzel liegen auf jedem Teller, Salat und Beilagen kommen dazu - oh, oh, da braucht es einen ordentlichen Schnaps hinterher, um dem Magen zu befehlen: tue was, auch wenn du nicht mehr willst! Die Fahrt von Grävenwiesbach nach Brandoberndorf und zurück lasse ich aus! Ich weigere mich, aufzustehen. Dorthin fahren wir sowieso nur mit einem Regelzug, da auf dem Streckenabschnitt Grävenwiesbach-Brandoberndorf sich immer nur ein Zug befinden darf, denn am (vorläufigen?) Endbahnhof Brandoberndorf stehen keine Signale. Nachdem die Deutsche Bundesbahn die Strecke von Grävenwiesbach nach Wetzlar im Jahre 1985 stillgelegt hatte, war hier in Grävenwiesbach der Endbahnhof der Taunusbahn. Ende der 1980er Jahre wollte die DB schließlich den Betrieb auf der gesamten Strecke bis Friedrichsdorf einstellen. Daraufhin suchte der Hochtaunuskreis einen nichtbundeseigenen Betreiber und fand in der FKE bzw. HLB einen geeigneten Partner. Daraufhin wurde der "Verkehrs-verbund Hochtaunus" gegründet. 1989 wurde der Kaufvertrag über die Strecke unterzeichnet und die FKE übernahm 1993 den Betrieb.
Erst viertel nach drei habe ich wieder die Energie, um zum Bahnhof zu gehen. Zunächst fahren wir nach Friedrichsdorf, um dort in einen Sonderzug der Butzbach-Licher Eisenbahn umzusteigen. Die BLE ist nur zwei Jahre jünger als die FKE; sie begann ihren ersten Eisenbahnbetrieb im Jahre 1904, ebenfalls mit Ausflugsbetrieb.
Es ist warm heute, und Durst ist schlimmer als Heimweh. Gut, dass es in Friedrichsdorf einen Kioskwagen am Bahnhof gibt. Der macht heute das Geschäft seines Lebens: wir stellen uns an, und einer nach dem anderen präsentiert stolz sein ergattertes Getränk. Erst dann wird interessant, was am Bahnhof sonst noch vor sich geht. Auf der Fahrt nach Friedberg legen wir noch einen Fotohalt im Bahnhof Rosbach v.d. Höhe ein. In Friedberg angekommen wird der "Motorcontainer" des GTW 2/6 für uns geöffnet und wir können in das Allerheiligste eines Zuges blicken. Auf der Rückfahrt nach Friedrichsdorf legen wir im neuerbauten Haltepunkt Friedberg-Süd noch einen Fotostopp ein. Hier ist ein erweitertes Industriegebiet entstanden wovon man sich neue Fahrgäste erhofft.
Nach dem Einsteigen bringt uns der GTW 2/6 über Rosbach, Friedberg (Hessen) wieder zurück nach Friedrichsdorf.

Bild: 309164
Bild 309164: Friedrichsdorf im Taunus ist Treffpunkt dreier Linien: der S-Bahnlinie S 5, der BLE nach Friedberg und der FKE nach Brandoberndorf.
(14.09.2002)

Bild: 309180
Bild 309180: Ausfahrt aus Friedberg. Ein GTW 2/6 passiert soeben die Ausfahr-Flügelsignale und wird gleich nach rechts in Richtung Friedrichsdorf einbiegen.
(14.09.2002)

Wieder in Friedrichsdorf entern die Verkehrsfreunde Stuttgart die S 5 in Richtung Frankfurt, die um kurz nach halb sieben dort ist. Wer jetzt nach Hause fährt, muss uns verlassen. Alle anderen steigen um in die S 1 und fahren ein Viertelstündchen nach Offenbach, wo im Hotel Arabella-Sheraton bereits unser Gepäck auf uns wartet.
Ja, da gucken alle, die bereits auf dem Weg zurück sind; richtig gelesen: Sheraton! Ich habe keine Ahnung, wie es unsere Frankfurter Verkehrsfreunde fertig gebracht haben, uns ausgerechnet in diesem Luxushotel unterzubringen. Ist auch egal, wir sind jedenfalls da. Innen wird man von teppichgedämpfter Eleganz empfangen - es riecht richtig vornehm. Ich könnte mich Stunden in diesem Geruch aalen, aber nur wenig Zeit bleibt uns, wenn wir am letzten Programmpunkt des Tages teilnehmen möchten.

Um viertel vor acht sitzen wir schon wieder in der S 8 Richtung Wiesbaden nach Frankfurt. Allerdings nicht alle! Unsere Frau Bläse stellt beim Hinausgehen aus dem Hotel fest, dass sie ihren Gutschein für die Teilnahme am Abendprogramm vergessen hat. In diesem Moment der Erkenntnis machen sich bei ihr die langjährigen, unbarmherzigen Erziehungsversuche unserer Vorstandsmitglieder gnadenlos bemerkbar: sie kehrt um, geht noch mal aufs Zimmer, holt den Gutschein und - verpasst die S-Bahn. Da sich immer 5 Personen eine Fahrkarte teilen, darf sie sich auch noch einen Einzelfahrschein kaufen. Aber Respekt! Die Wenigsten hätten soviel Pflichtgefühl gezeigt.

Sie fragen sich bestimmt, wohin man in Frankfurt abends als Tourist geht und geben sich im selben Augenblick selbst die Antwort: nach Sachsenhausen zum Äppelwoi. Uns nimmt die Apfelweinwirtschaft (puh, wie hochdeutsch!) zur Germania in der Textorstraße auf, die wir ab der S-Bahn-Haltestelle Mühlberg mit der Straßenbahn 16 erreichen. Ich beschreibe Ihnen den Weg deshalb so ausführlich, damit Sie dort alleine hinfinden. Sie werden sehen, es lohnt sich.
Das tolle Wetter des Tages ist uns auch heute abend hold, so dass wir im Innenhof des Lokals sitzen können. Aber selbst bei etwas niedrigeren Temperaturen lässt es sich dort prima aushalten, denn der Hof ist so vollgestopft mit Tischen, Bänken, Überdachungen und Menschen, dass es eigentlich nicht richtig kalt werden kann. Für uns sind vier lange Tische reserviert, an die wir uns sofort setzen. Natürlich trinkt man Äppelwoi, der Krüge weise auf den Tisch gestellt wird und im Preis enthalten ist. Äppelwoi ist teilvergorener Apfelsaft; bei uns würde man Moscht sagen. Und wie bei uns den Moscht bekommt man den Äppelwoi in allen möglichen und unmöglichen Stadien des Gärungsprozesses. Der hier hat es in sich. Ich schenke mir ein Glas ein (getrunken wird aus Wassergläsern)1, probiere und stelle fest: nix für mich. Jeden Schluck, den ich nehme, fülle ich mit Wasser nach und stelle fest: besser! Es ist wie mit dem Moscht: entweder man mag ihn, oder man verdünnt ihn solange, bis er Wasser mit Geschmack ist. Ich gehöre zu den Verdünnertypen. Dann kommen Beilagen, Salat und irgendwann kommt das Fleisch. Gibt es eigentlich eine grammatikalische Mehrzahl von Fleisch? Fleische vielleicht? Das trifft die Portion eher, die da auf einer riesigen Platte an jeden Tisch geschleppt wird. Knackige Würste garnieren die Fleischplatte. Geräuchert, gebraten, gekocht, fett, mager, klein, groß - wie hätten Sie es gerne, es ist da. Von den großen Stücken schneiden wir für jeden was ab, die kleineren werden so verteilt. Obwohl es so viel ist, ist unser Appetit nur größer geworden. Es dauert ziemlich lange, da werden wieder Fleischplatten gebracht mit dem Hinweis, dass jeweils eine Platte für 2 Tische gedacht ist. Okay, wir teilen weiter, und dann kommen noch mal Fleischplatten, mit noch mehr Fleisch beladen als die vorherigen. Ich kann Ihnen eins versichern: wir haben schon oft viel zu viel auf dem Tisch gehabt, aber solche Mengen Fleisch auf einem Fleck habe ich wirklich noch nie gesehen.
Wenn Sie also mal Hunger haben und zufälligerweise in Frankfurt sind, gehen Sie in die Textorstraße zur Germania und essen Sie sich mal so richtig satt.

Unsere Organisatoren haben den Verkehrsfreundefahrplan auch mit den nächtlichen Abfahrtszeiten der Straßenbahnen und S-Bahnen nach Offenbach bestückt. So nach und nach verlassen wir immer in einer durch 5 teilbaren Anzahl das Lokal und fahren durch die nächtliche Stadt zurück ins Hotel. Mein Mann und ich trinken noch einen kleinen Absacker an der Hotelbar. Es kann nicht sein, dass man in einem solchen Hotel wirklich nur zum Schlafen ist. Aber die saftigen Getränkepreise bringen uns bald auf den Boden der Tatsachen zurück und hinein in die bequemen Betten.
1nix Wassergläser - Geripptes nennt man so ein Glas (Der Frankfurter Verkehrsfreund)

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