Fliegend und unter Dampf

Ein Blick vor dem Frühstück frühmorgens aus dem Hotelzimmer ließ auf einen sonnigen Tag hoffen. Für heute hatten wir vor, mit dem "Fliegenden Rhätier" über Filisur und dem unteren Albulatal über Thusis, Reichenau-Tamins und Chur nach Landquart zu fahren.

Bild: 300930 - Der Hotelausblick in Davos lässt am frühen Morgen gutes Wetter erahnen.

Für die Fahrt von Davos Platz nach Filisur waren in unserem Fahrplan 1 Stunde und 10 Minuten vorgesehen. Reichlich Zeit für die knappen 20 Kilometer Streckenlänge. Der erste Streckenhalt ließ auch nicht lange auf sich warten. Die Strecke führt kerzengerade entlang der Landwasser. Für diese Uhrzeit, es war noch vor 9 Uhr, schlägt die Strecke keine sonnenoptimale Richtung ein. Also blieb nur eine Aufnahme ohne das Gewässer auf dem Foto. Es lässt sich aber erahnen an dem kleinen Steg im Hintergrund.

Bild: 300931 - Durch das Landwassertal zieht der "Fliegende Rhätier" ABe 4/4 502 den Zug Richtung Wiesen und Filisur.

Der nächste Halt sollte dann auch die Landwasser auf das Foto bringen, oder heißt es der Landwasser? Egal, für uns Fotografen hieß es zunächst auf einem kleinen hölzernen Steg Aufstellung zu nehmen.

Bild: 301289 - Der Steg hat gehalten

Wir befanden uns wohl zwischen Davos Frauenkirch und Davos Glaris. Natürlich hatte sich unser "Fliegender Rhätier" wieder zurück bewegt, dass auch die Videografen auf ihre Kosten kamen.

Bild: 301288 - Der "Fliegende Rhätier" ABe 4/4 am 27. Mai 1989 auf der Fahrt von Davos nach Filisur entlang der Landwasser.

Die Uhren zeigten etwa ein Viertel nach Neun Uhr als wir in Wiesen eintrafen. Ob der Zug uns vorher entließ oder ob er nach dem Aussteigen am Bahnhof wieder zurückstieß, sieht man dem folgenden Foto nicht an. Ich kann heute auch nicht mehr den Ablauf nachvollziehen.

Bild: 301290 - Die Station Wiesen liegt sehr einsam am Ende der Zügenschlucht. Neben dem Stationsgebäude befinden sich noch einige wenige weitere Gebäude. Der eigentliche Ort liegt etwa 200 m höher und breitet sich dort oben auf einer Sonnenterrasse aus.

Nachdem nun alle Aufnahmen im Bahnhof von Wiesen gemacht waren, hieß es die Füße in die Hand nehmen und den Weg über das Wiesener Viadukt anzutreten. Der Fußweg führt auf der südlich gelegenen, der linken Seite der Brücke entlang. Wer nicht einigermaßen schwindelfrei war, der sollte sich nicht dem Blick in die Tiefe aussetzen. Immerhin beträgt die Höhe über der Landwasser 88 Meter. Nachdem alle glücklich und zufrieden auf der anderen Seite angekommen waren, verteilte sich die Gruppe. Die eine bog links ab zu einem Aussichtspunkt, die andere nahm direkt hinter dem Brückenkopf auf kleinen Hügeln Aufstellung. Der "Fliegende Rhätier" zog nach Verständigung mit unserem Reiseleiter Peter Pfeiffer langsam auf die Mitte des Viadukt und blieb dort stehen. Nun wurden die Standplätze gewechselt, so dass fast jeder zu seinem zweiten Sujet gelangte. Und der Zug stand, bestimmt eine halbe Stunde.

Bild: 301291 - Auf dem Wiesener Viadukt quert der von ABe 4/4 502 gezogene Zug die Landwasser.

Bild: 301292 - Links auf dem Wiesener Viadukt ist die Hipp'sche Wendescheibe zu erkennen. Sie ist längst außer Betrieb und diente früher als Einfahrtsignal.

Natürlich war die Strecke Wiesen - Filisur in dieser Zeit durch uns belegt, hinter uns drängelte bereits der Regelzug. Nach einiger Zeit zog unser Zug dann bis kurz über das Viadukt vor und wir durften dann wieder einsteigen. Nach kurzer Fahrt erreichten wir Filisur um kurz vor 10 Uhr. Wir waren kaum ausgestiegen, kam auch schon der Planzug eingefahren. Zunächst durfte unser ABDe 4/4 umsetzen, denn wir fuhren ja anschließend in die Gegenrichtung weiter. Dann war de Ge 4/4'' 614 des Regelzugs an der Reihe. Beide Züge standen dann parallel, wie zur Abfahrt bereit.

Bild: 300936 - ABDe 4/4 502 und Ge 4/4'' 614 nebeneinander in Filisur

Natürlich gab es auch damals schon das sogenannte "Beiwerk". Hier in zum Beispiel die Ge 6/6'' 701 mit einem Schnellzug nach St. Moritz am Haken.

Bild: 301294 - Im Jahr 1988 gehörten die Loks der Reihe Ge 6/6'' noch dem Regelverkehr an. Auch dreißig Jahre später versahen sie ihren Dienst noch überaus zuverlässig. Heute, 2023, bekommen sie nur noch ihr Gnadenbrot. Die 701 sollte ursprünglich als Museumslok der Nachwelt erhalten bleiben. Jedoch fand man, dass die 704 einen erhaltenswürdigeren Zustand ihr Eigen nennt. So ist die Erstgeborene im Februar 2021 in Chur dem Schneidbrenner anheim gefallen. Mittlerweile soll aber die 707 museal erhalten bleiben.

Die Zeit verging schnell in Filisur, wobei sich unser gesamter Aufenthalt hier in 15 Minuten beendet war. Unser Sonderzug, die Schweizer nennen ihn ja Extrazug, verließ in etwa pünktlich, geplant war 10:15 Uhr, Filisur. Nachdem von Oben und von Unten alles durch war strebten wir einem weiteren Höhepunkt unserer Reise entgegen. Wer nun annimmt, wir wären nun nur ganz laaaangsaaam über das Landwasserviadukt gefahren, der irrt hier an dieser Stelle. Hinter dem Viadukt und vor dem kleinen 27 Meter langen Zalaint-Tunnel befindet sich linker Hand eine kleine Freifläche. An dieser Stelle konnte wer wollte, und wer der Fotografen wollte nicht, aussteigen. Unser Zug fuhr jetzt wieder zurück auf das Landwasserviadukt. Welch ein Sujet offenbarte sich da für uns Lichtbildner. Leider war der Sonnenstand nicht so günstig, aber, man kann nicht alles haben.

Bild: 301296 - Der ''Fliegende Rhätier'' ist im Mai 1989 mit einem Sonderzug für die Stuttgarter Verkehrsfreunde unterwegs. Hier hat er für ein Foto auf dem Landwasserviadukt einen Halt eingelegt.

So hatten wir doch einige Zeit hier auf dem schmalen Streifen verbracht. Jeder durfte einmal in vorderster Reihe stehen oder hocken oder was auch immer. Ein jeder kam zu seinem Foto. Rechts ging es steil hinunter zur Landwasser, immerhin ist das Landwasserviadukt ja auch 65 Meter hoch. Dann hieß es wieder "bitte Einsteigen, es pressiert". So fuhren wir dann durch bis Landquart mit den nötigen Unterwegs-Kreuzungen, wir waren mittlerweile ja auch schon etwas aus dem Plan. Trotz allem erreichten wir Landquart gegen "High Noon", fast wie vorgesehen.

Wer nun gedacht hatte hier könnte man zu Tische sitzen, der sah sich getäuscht. Schnelles Umsteigen war angesagt, unser neuer Sonderzug stand bereits am Nachbargleis zum Einsteigen parat. Wir wechselten die Traktion, wir stiegen von Strom auf Kohle um. Drei grüne Personenwagen plus einen Packwagen am Ende standen hier. Davor war ein schwarzes Dampfross gespannt. Die G 4/5 107 war unsere Zuglok für heute Nachmittag. Pünktlich um 12:10 Uhr setzte sich der Dampfzug in Bewegung. Der erste Fotostopp müsste noch vor der Einfahrt in die Klus gewesen sein.

Bild: 300939 - Durch grüne Wiesen zieht hier G 4/5 107 ihren Zug.

Das Fotografieren von Eisenbahnen funktioniert ja bei den Verkehrsfreunden meist in geordnetem Rahmen. Und wenn mal nicht, so ist immer jemand da, der das Aufstellen in die Reihe organisiert. Schnelles Arbeiten war hier angesagt und dann ging es auch schon wieder weiter. In Jenaz, heute ist sie eine unbesetzte Kreuzungsstelle, stimmte unser Organisator Peter Pfeiffer mit dem Stationsvorsteher wohl noch eine Kleinigkeit ab.

Bild: 301304 - Feilschen um den Fahrplan?.

Die Einfahrt in die Station Saas verlief unspektakulär. Obwohl es stetig bergan ging, konnte die Maschine vorn vor dem Befahren einer kurzen Brücke den Saaseralpbach in Ruhe auslaufen. Seit 1994 steht hier ein neues Beton-Stahl-Verbundkonstrukt.

Bild: 301308 - Überquerung des Saaseralpbachs in Saas im Prädigau.

In Saas hatten wir wenige Minuten Pause. Auch hier gab es mit dem örtlichen Stationsvorsteher einen Gedankenaustausch während der Vorortpendel Be 4/4 516 nach Landquart bereits Ausfahrt hatte.

Bild: 301310 - Feilschen um den Fahrplan?.

Klosters erreichten wir gegen 13:45 Uhr und hier hatten wir dann eine Stunde Zeit, uns die Füße zu vertreten. Das unmittelbar gegenüber dem Bahnhof gelegene Café fand regen Zuspruch. Was für den Menschen unabdinglich, nämlich Essen und Trinken, das ist auch für eine Dampflok von Nöten. Sie bekam zwar keine Kohle aber dafür jede Menge Wasser. Weshalb ich hier von dieser Stelle keine zeigenswerte Aufnahmen habe, z.B. vom Wasserfassen, keine Ahnung. Sehr wahrscheinlich war auch ich im Café.
Die Pause hier in Klosters hatten wir erfolgreich hinter uns gebracht. Nun hieß es, die Steigung nach Davos zu bewältigen. Ich weiß nicht, ob die G 4/5 da an ihre Grenzen kam, jedenfalls hatte sie plötzlich Probleme mit dem Dampf und musste sich auf freier Strecke mitten im Wald genau vor einem Vorsignal erst einmal ausruhen. Damit war der RhB-Fahrplan schon mal Makulatur. Aber es sollte später noch arger kommen.

Bild: 301316 - Zunächst bis hierhin und nicht weiter.

Mit der Zeit hat sich wohl wieder Druck im Kessel aufgebaut und wir setzten unsere Fahrt ganz gemächlich in der Steigung weiter. Wir hatten kaum das Davoser Hochplatteau erklommen freute sich die Lok und kam auch gleich wieder in Fahrt. Davos-Wolfgang hatten wir hinter uns gelassen und fuhren nun entlang des Davosersees.

Bild: 301318 - Ein Blick auf den Davosersee.

Anschließend wurde noch Davos-Dorf passiert Nun waren wir als einmal im Kreis gefahren und hatten unseren Startbahnhof Davos-Platz wieder erreicht. Die Zeitmesser zeigte etwa 16:00 Uhr also 30 Minuten über. Nun schloss sich ein "RhB-Spezial" für die Fotografen an. Die Nichtfotografen konnten sich nun in Davos vergnügen. Normalerweise hätte laut Plan unser neuer Sonderzug um 15:55 Uhr Abfahrt gehabt. Ein Sonderzug? Nein, es waren deren zwei. Nämlich erstens unsere G 4/5 107 mit einen grünen Erstclass-Vierachser, zwei offene und einem geschlossenen Güterwagen. Dann zweitens die Ge 6/6' 412 mit drei grünen Vierachsern und einem Gepäckwagen.

Bild: 301004 - Ge 6/6' 412 bei Davos-Platz.

Bild: 301320 - G 4/5 107 bei Davos-Platz.

Leider hielt das Wetter nicht mehr was es am Morgen versprochen hatte. Nun, wir waren in einer alpinen Gegend und da kann das Wetter schon einmal wechselhaft sein. Manchmal ist es ja auch von Vorteil wenn die Sonne nicht da ist. Man ist beim Standort etwas flexibler. Hinter Davos-Frauenkirch gab es damals ein Militärlager. Genau am Zaun stellten wir uns wieder in Reihe auf. Vielleicht hätte ich mit dem linken Nebenmann den Standplatz tauschen sollen, dann wäre der hintere Wagen nicht so dicht am Zaun. Es geht soeben noch.

Bild: 301006 - G 4/5 107 bei Davos-Frauenkirch.

Bild: 301007 - G 4/5 107 bei Davos-Frauenkirch.

In Wiesen war dann der erste Stationshalt. Und nochmals wurde nochmals die Einfahrt simuliert. Plötzlich erschien auch wieder die Sonne zwischen den Wolken, leider passte die Uhrzeit nicht. Man kann nicht alles haben.
Der erste Halt-Bahnhof war natürlich wiederum der in Wiesen. Und nun zeigte sich auch die Sonne wieder, wenn auch von der falschen Seite. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, den GmP auf dem Film festzuhalten.

Bild: 301323 - G 4/5 107 in Wiesen.

Weiter ging es dann in flotter Fahrt nach Filisur. Hier wurde die Lok auf die Drehscheibe gestellt und in die neue Fahrtrichtung zurück nach Davos gedreht. Mittlerweile ist auch der uns folgende Regelzug aus Davos in Filisur eingefahren.

Bild: 301325 - Es fährt ein in Filisur der aus Davos kommende Regio geführt von Ge 4/4'' 616.

Nun begann hier in Filisur ein Spektakel wie es sicher bisher seltenst vorkam und heute sicherlich nicht mehr so praktiziert wird. Die Ge 6/6' 412 war ja mit 3 Wagen uns voraus gefahren. Die Lok wurde ans andere Ende umgespannt und der Personenwagen von der Dampflok abgezogen und an die Ge 6/6 angehängt. Die G 4/5 hatte nun nur noch die Güterwagen am Haken.
Die Umsetzungen hier in Filisur dauerten etwa eine halbe Stunde. Die Abfahrt hier sollte laut Plan um 18:00 Uhr stattfinden, so ungefähr waren wir pünktlich. Dann ging es wieder retour nach Wiesen. Hier hieß es dann aussteigen und zum festgelegten Fotopunkt laufen. Währenddessen stieß unser Zug wieder zurück bis weit über das Wiesener Viadukt hinaus. Leider war es nun mit dem Licht nicht mehr zum Besten, die Uhr zeigte auch mittlerweile halb sieben am Abend. Und in den Bergen ist dann schnell zappeduster. Heute zu digitaler Zeit wäre das Fotografieren sicherlich etwas einfacher. Trotzdem hatten wir die Filme belichtet. Was dann noch herauskam zeigen die restlichen Aufnahmen vom Tage.

Bild: 301011 - Die Ge 6/6 412 mit einem Extrazug auf dem Wiesener Viadukt.

Unser Extrazug hat mit dezenter Geschwindigkeit das Viadukt befahren und stand nun außerhalb unseres Sichtfeldes Richtung Station Wiesen. Es hatte nicht lange gedauert, dann kam der von der G 4/5 107 gezogene kleine Güterzug auf das Viadukt gefahren. Wir staunten nicht schlecht. Der Zug fuhr bis ans Ende der Brücke, blieb kurz stehen um dann rückwärts in Richtung Filisur sich wieder in Bewegung zu setzen.

Bild: 301013 - Die G 4/5 107 mit einem Güterzug auf dem Wiesener Viadukt.

Nun hatten wir beide Züge hier fotografieren können. Aber den beiden Organisatoren war das wohl alles nicht genug, sie wollten uns mehr bieten. Der Dampfzug war mittlerweile außer Sichtweite, da kam auch schon der Personenzug rückwärts über das Viadukt gefahren. Auch er verschwand hinter den Bäumen in der Kurve. Dann zwei kurze Pfiffe aus Richtung Filisur und ein Gespann aus Personen- und Güterzug kam auf uns zu und über das Viadukt gefahren.

Bild: 301017 - Die Ge 6/6 412 mit einem Extrazug und G 4/5 107 mit einem Güterzug auf dem Wiesener Viadukt.

Nachdem die Brücke wieder frei war, machten wir uns auf den kurzen Weg zurück zur Station Wiesen. Natürlich gab es hier noch ein "Gruppenfoto" mit den beiden Protagonisten.

Bild: 301014 - Die Ge 6/6 412 mit einem Extrazug und G 4/5 107 mit einem Güterzug auf dem Wiesener Viadukt.

Beide Züge fuhren nun gekoppelt nach Davos. Es kam noch die Frage auf, ob es noch Zeit wäre einen abschließenden Fotohalt vor Davos einzulegen. Als ob da einer von uns "nein" gesagt hätte. Wir stiegen vor der kleinen Brücke aus, gingen über den Steg über die Landwasser und positionierten uns zur Aufnahme. Beide Züge einandergekoppelt. Muss ich eigentlich erwähnen, dass die Personale auch mit fotografierten?

Bild: 301019 - Die Ge 6/6 412 mit einem Extrazug und G 4/5 107 mit einem Güterzug vor Davos Platz.

Wie viele Regelzüge im wahrsten Sinne der Worte auf der Strecke blieben, ist und war mir nicht bekannt. In Davos Platz stand der Regio nach Filisur schon weit über Plan. Ungewöhnlich bei der Rhätischen.
Da wir ungefähr eine halbe Stunde Verspätung hatten ging es schnell noch ins Hotel das Equipment abzulegen, vielleicht noch etwas sich frisch zu machen. Um 20:30 Uhr trafen wir uns alle an der Talstation der Seilbahn zum Hotel Schatzalp. Hier gab es noch das gemeinsame Abend- und Abschlussessen. Morgen geht es dann auch schon wieder auf die Heimreise.